Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für Industrieunternehmen
Anfang Oktober traf sich der Marketing Club zur Hybridveranstaltung „Wie lernen Elefanten fliegen?“. Der Vortrag unserer Referentin Lilian Matischok basiert auf einer Veröffentlichung der Plattform Industrie 4.0, die sie gemeinsam mit weiteren Autoren aus der Arbeitsgruppe „Digitale Geschäftsmodelle“ verfasst hat. Dieser Auszug geht auf verschiedene Aspekte des Vortrags vertiefend ein.
Mit der Publikation des Ergebnispapiers „Digitale Geschäftsmodelle für die Industrie 4.0“ hat die Arbeitsgruppe „Digitale Geschäftsmodelle“ der Plattform Industrie 4.0 einen Beitrag zum tieferen Verständnis digitaler Geschäftsmodelle und deren Wirkweisen geleistet. Digitale Geschäftsmodelle verstehen und beschreiben zu können, ist ein erster wichtiger Schritt zur digitalen Transformation. In der Praxis erleben wir allerdings: Die größeren Hürden und Herausforderungen tauchen erst in der Umsetzung auf und scheinen zum Teil nahezu unüberwindlich zu sein. Daher hat sich die Arbeitsgruppe im Jahr 2019 intensiver mit unseren Erfahrungen mit der „Transformation der Organisation“ auseinandergesetzt.
Aus eigenen Erfahrungen und den Fallbeispielen unserer zahlreichen Gesprächspartner/-innen können wir drei dominante Motivationen für digitale Transformation erkennen, die jeweils spezifische Herausforderungen und Spielregeln mit sich bringen:
- Digitalisierung zur Stärkung des bisherigen Kerngeschäfts
- Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder durch neue digitale Geschäftsmodelle und Produkte
- Digitale Innovationsaktivitäten zur Ideengenerierung und -validierung mit dem Ziel, digitales Wissen und innovative Ideen für die langfristige Zukunft des Unternehmens zu generieren
In allen drei Motivationen lassen sich die Handlungsfelder in fünf zentrale Herausforderungen strukturieren: Strategie, Implementierung, Personal, Kultur und externe Rahmenbedingungen.
Im Handlungsfeld Strategie wird erarbeitet, was langfristig erreicht und wie der Weg dahin gestaltet werden soll. In Implementierung beschäftigen Unternehmen sich mit den Fragen nach dem passenden Vorgehen, z. B. bezogen auf Organisationsstruktur und Finanzierung, die einzusetzenden Methoden und Technologien und die richtigen Partner und Zulieferer.
Auch die Human-Resources(HR)-Seite hat ihre Herausforderungen. Im Themengebiet Personal geht es darum, welche Kompetenzen benötigt werden und wie man diese aufbauen oder durch Talente von außen ins Unternehmen holen kann. Eng damit verbunden ist der Bereich Kultur: Welche Unternehmenskultur ist für die jeweilige Zielsetzung förderlich, und welche Entwicklungsimpulse werden für Kommunikation, Zusammenarbeit, Führung und Arbeitsweisen benötigt? Schließlich ist noch die Auseinandersetzung mit den externen Rahmenbedingungen und der Dynamik im Marktumfeld erfolgsentscheidend: Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen gelten, und wie ändern sich diese? Was passiert auf dem Markt und in den Wertschöpfungsketten? Wie reif und nutzbar sind neue Technologien, Standards und Architekturen?
Diese drei Motivationen beschreiben damit eine Spannbreite an Reaktionen der Unternehmen auf die sich wandelnden Einflussfaktoren. Oft legen sich Unternehmen nicht auf eine Motivation fest, sondern verfolgen sie parallel oder wechselnd. Die Übergänge und notwendigen Veränderungen müssen jedoch bewusst gestaltet werden. Jede dieser Motivationen bringt eine andere Definition von Erfolg mit sich und benötigt für deren Umsetzung die passenden Spielregeln.
An die Digitalisierung des bestehenden Kerngeschäfts werden häufig klare Returnon-Investment(ROI)-Ziele geknüpft. Diese gilt es, konsequent zu verfolgen und in eine längerfristige Strategie einzubetten. Das spürbare Commitment des Managements ist die notwendige Basis für alle Veränderungsaktivitäten. Eine breite und frühe Kommunikation der Strategie sowie die Möglichkeiten der aktiven Beteiligung schaffen Akzeptanz in der Belegschaft und beschleunigen die Umsetzung. Interdisziplinäres, funktionsübergreifendes Arbeiten und Kooperationsfähigkeit sind wesentliche Erfolgsfaktoren.
Bei der Motivation, lernen oder innovieren zu wollen (Digitale/-s Lernen, Ideenfindung & Experimentieren), kommt es vor allem bei der Umsetzung darauf an, kreativen Handlungsspielraum zu schaffen – verankert in der Strategie, organisatorisch und kulturell. Hier liegt der Erfolgsfaktor darin, schnell und agil Lernzyklen zu gestalten. Das beinhaltet auch, bewusst mit Misserfolgen umzugehen und kollaborative Arbeitsstrukturen konsequent zu fördern. Lernen ist in dieser Phase das Leitmotiv.
Bei der Zielsetzung, digitale Lösungen zu industrialisieren und zu vermarkten (neue digitale Geschäftsmodelle und Produkte), sollten die entwickelten Lösungen früh in Projekten mit Kunden validiert und auf Kundenmehrwert hin ausgerichtet werden. Nach und nach können so aus Kundenprojekten skalierende Produkte oder Services erarbeitet werden. Eine grundsätzliche Skalierungsfähigkeit der Lösungsideen ist notwendige Voraussetzung. Die für die Skalierung erforderlichen Fähigkeiten müssen aufgebaut oder durch Partnerunternehmen bereitgestellt werden. Das Wechselspiel zwischen Entwicklungsfortschritten und Marktresonanz setzt eine hohe Lern- und Veränderungsfähigkeit voraus.
„Wer die digitale Transformation in etablierten Industrieunternehmen mitgestaltet, findet sich schnell im Spannungsfeld zwischen alten und neuen Technologien, bewährten und modernen Management-Methoden, profitablem Bestandsgeschäft und inves-titionsintensiven Innovationen wieder.
Meine persönlichen Take-aways:
- Im Explore-Umfeld und in der Skalierungsphase sollte man keine Exploit-Maßstäbe anlegen, weder für Businesspläne noch für Prozessreife.
- Lernen bedeutet Altes loslassen und Neues ausprobieren. Nicht alles klappt sofort oder hilft auf Dauer. Wenn etwas nicht (mehr) funktioniert: Tue etwas anders.
- Leicht gesagt, schwer getan: Kooperationskünstler werden. Jede und jeder als Person, aber auch auf Unternehmensebene.“
Lilian Matischok
Mitglied AG6
„Digitale Geschäftsmodelle“, Plattform Industrie 4.0
Leave A Comment